Puls am Limit – Wenn Wissenschaft falsch verstanden wird

Auch wenn sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen gerne mit seinem Bildungsauftrag und der damit verbundenen Wissens- und Kulturvermittlung schmückt, so fällt doch in überraschender Regelmäßigkeit auf, dass gerne mal nur der Schein einer korrekten Informationsvermittlung gewahrt wird. Als Resultat werden Beiträge mit wissenschaftlichem Anstrich produziert, die, für den Laien nicht sofort erkennbar, ein ganz bestimmtes Narrativ transportieren sollen. Dass diese Beiträge einer genaueren Prüfung nicht standhalten, soll in dieser Videoanalyse aufgezeigt werden. Viel Spaß!

Quellen

http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/uebergewicht-erhoeht-diabetes-risiko-zwillingsstudie-a-1105837.html
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4050298/pdf/10508_2013_Article_166.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Mustererkennung
https://de.wikipedia.org/wiki/Schnelles_Denken,_langsames_Denken#Zwei_Systeme
https://de.wikipedia.org/wiki/Wahrnehmungsfehler
https://de.wikipedia.org/wiki/Reflexion_(Philosophie)
https://de.wikipedia.org/wiki/Assoziation_(Psychologie)
https://de.wikipedia.org/wiki/Diskriminierung#Die_Begriffe_positive_Diskriminierung_und_negative_Diskriminierung
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbergewicht#Medizinische_Folgeerkrankungen
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1038/oby.2002.202/full
http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/uebergewicht-fettleibigkeit-erhoeht-risiko-fuer-stoerungen-im-gehirn-a-851156.html
https://www.amazon.de/Fettlogik-%C3%BCberwinden-Nadja-Hermann/dp/3548376517
https://de.wikipedia.org/wiki/Statistische_Versuchsplanung
http://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/experimentalgruppe/4549
http://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/kontrollgruppe/8161
https://de.wikipedia.org/wiki/Suggestivfrage
https://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/233461/umfrage/entwicklung-von-uebergewicht-und-adipositas-in-deutschland-unter-frauen/
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/233449/umfrage/entwicklung-von-uebergewicht-und-adipositas-in-deutschland-bei-maennern/
http://www.berliner-zeitung.de/berlin/ausbildungsverbot-sechs-zentimeter-zu-klein-fuer-den-traumjob-bei-der-berliner-polizei-28160574
http://www.ksta.de/wirtschaft/-gewicht-beruf-vorschrift-uebergewicht-kuendigung-arbeitnehmer-1712862
https://bund-laender-nrw.verdi.de/++file++52fa1ea66f684402e600013a/download/Download-29.11.2013.pdf

 

Transkript

 

Der Kampf der Marginalisierten und Geächteten gegen die alles erdrückende Maschinerie des Kapitalismus. Ein Narrativ, welches man einfach lieben muss. „Jetzt reicht es, wir stellen uns dagegen!“ Aber gegen was eigentlich? Dagegen, dass Körpergewicht ein medizinisch und gesundheitlich relevanter Faktor ist, vor allem dann, wenn er sich stark außerhalb des Normbereichs bewegt? Dagegen, dass Normalgewicht ein evolutionäres Signal für Gesundheit und Attraktivität ist und Menschen daher in der Regel diesem Ideal entsprechen wollen? Dagegen, dass Akteure innerhalb eines kapitalistischen Systems dieses Verlangen und diese Wünsche aufgreifen, um daraus Kapital zu schlagen?

„Nimm deinen Körper so an wie er ist und liebe deinen Körper so wie er ist“ verrät uns Ariane Alter zu Beginn dieses Beitrags des Magazins Puls, eine Sendung produziert vom Bayrischen Rundfunk. Eine positive Botschaft. Interessant sind jedoch vor allem die tiefer gehenden Implikationen dieses Statements: Soll also davon ausgegangen werden, dass der eigene Körper etwas grundsätzlich Gegebenes und Unveränderliches ist, an dem man persönlich wenig oder nur unter großem und schweren Arbeitsaufwand etwas verändern kann? Dass es besser ist den eigenen Körper zu akzeptieren, egal wie gefährlich und ungesund dieser Zustand auch sein sollte? Nur mit dem Ziel, die eigene Psyche vor Selbstzweifeln und Unsicherheit zu schützen, ungeachtet der negativen Auswirkungen auf sich selbst und die Solidargemeinschaft hinter den Sozial- und Gesundheitssystemen? Nun gut, warten wir doch erst einmal ab, ob diese Position innerhalb dieses Beitrags überhaupt konsistent aufrechterhalten werden kann.

Ein Plus-Size-Model als Advokatin für Body-Positivity. Nicht, dass ich etwas gegen ihren persönlichen Lebensweg einzuwenden hätte, aber ob eine Person, die mit ihrem medizinisch-relevanten Übergewicht Geld verdient wirklich die beste und neutralste Interviewpartnerin für dieses Thema ist, möchte ich doch in starke Zweifel ziehen. Sie hat schließlich den größten finanziellen Vorteil dadurch, dass ihr Körper „so ist wie er eben ist“ und das dürfte für den größten Teil der Bevölkerung nicht der Fall sein.

Aha. Ihr Körpergewicht ist also eine persönliche Entscheidung. Ich dachte bis eben gerade noch, dass man seinen Körper so annehmen soll wie er ist? Wann hat sie also die Entscheidung getroffen zuzunehmen? Wollte sie wirklich Plus-Size-Model werden und hat deswegen ihre tägliche Kalorienaufnahme erhöht? Und wenn wir annehmen, dass ihre Beschreibung der Wahrheit entspricht: Kann Jana ihre Entscheidung einfach wieder ändern und ein Körpergewicht im Normbereich bekommen? Oder handelt es sich hierbei um eine post-hoc Rationalisierung von Jana, um ihr Körpergewicht vor sich selbst zu rechtfertigen? Eine Minute im Beitrag und bereits jetzt erhält der Zuschauer unklare Botschaften.

Um der Frage nachzugehen, ob übergewichtige Menschen von naiven Versuchspersonen – gerne auch als Otto-Normal-Bürger bezeichnet – anders eingeschätzt werden als normalgewichtige Menschen, d.h. mit Vorurteilen versehen werden, wird von der Puls-Redaktion ein „Experiment“ aufgesetzt. Das Gesicht der Moderatorin Ariane Alter wird mit Hilfe von Photoshop auf den Körper einer übergewichtigen Frau transportiert und im Anschluss sollen diese beiden Bilder zufällig ausgewählten Personen auf der Straße gezeigt werden. Die Befragten sollen dann einschätzen, welchen Beruf die beiden gezeigten Damen vermutlich ausüben. Schauen wir uns die beiden gezeigten Bilder noch einmal genauer an: Sind sie wirklich identisch, abseits des veränderten Gewichts? Wirkt der Gesichtsausdruck auf dem rechten und linken Bild gleich? Welchen Einfluss hat hierbei die Bildbearbeitung gehabt? Was ist mit der Kleidung? Sind die Oberteile identisch geschnitten? Ist die Körperhaltung der beiden Frauen vergleichbar? Das sind alles Fragen, die man sich stellen sollte bevor man dieses „Experiment“ aufsetzt und ein sinnvolles, stichhaltiges Ergebnis erwartet, mit dem man seine Anfangs aufgestellte Hypothese, nämlich dass das Übergewicht die entscheidende Variable ist auf der die vermuteten Vorurteile basieren, belegen möchte. Aber schauen wir doch erst einmal, wie das Experiment im Detail durchgeführt wird.

Die befragten Personen antworten – vermutlich erwartungsgemäß den Vorstellungen der Puls Redaktion entsprechend – mit den prestigeträchtigeren Berufen für die schlanke oder normalgewichtige Ariane. Dann folgt eine Erklärung dafür, warum diese Wahl unter anderem getroffen wurde:

Was ist das? Werden hier etwa auf Basis optischer Merkmale, wie Kleidung, Hintergrund und Gesamtwirkung des Bildes bzw. des Porträts Vermutungen darüber angestellt, wie die berufliche Situation der gezeigten Person aussieht? Findet hier etwa eine Form der Unterscheidung und Charakterisierung statt, die gemeinhin als *Diskriminierung* bezeichnet wird? Nun ja, Spaß beiseite. Natürlich diskriminieren wir als Menschen mit unserem fehleranfälligen und auf Mustererkennung basierenden Gehirn permanent alles und jeden in unserer Umwelt und Umgebung. Das ist ein völlig natürlicher und unumgänglicher Prozess, eine Art Filtermechanismus mit dem es uns möglich ist, Entscheidungen ohne viel Energie- und Zeitaufwand zu treffen. Es entsteht allerdings ein offensichtlicher Nachteil daraus: Unser Gehirn tauscht Geschwindigkeit gegen Genauigkeit und das führt zu erhöhter Fehleranfälligkeit, weshalb es *immer* notwendig ist seine spontanen und intuitiven Reaktionen und Gedankengänge zu hinterfragen.

Deutet die Kleidung von der normalgewichtigen Ariane wirklich daraufhin, dass diese in einem medizinischen Beruf arbeiten könnte? Nein, tut es nicht. Es besteht kein Kausalzusammenhang zwischen der Kleidung, die Ariane in diesem Bild trägt und ihrer beruflichen Position. Es besteht nur eine mögliche *Korrelation* zwischen ihrem Kleidungssstil und einem Job in einem prestigeträchtigeren Berufsfeld, weil es potenziell eine Tendenz dafür gibt, dass Menschen mit höherem sozialen Status (zu der auch der Beruf gehört) zu einem anderen Kleidungsstil neigen, als Personen mit geringerem sozialen Status. Arianes Kleidung in diesem Bild erweckt eine Assoziation bei den befragten Personen mit genau dieser Tendenz und deshalb basieren sie ihre Antwort auf dieser vermeintlichen Korrelation. Oder anders gesagt: Die Versuchspersonen stellen sich die Frage wie wahrscheinlich es ist, dass die optischen Merkmale, die sie an der Person im Bild wahrnehmen darauf hindeuten, welche der 6 vorgegebenen Antworten die richtige sein könnte. Es handelt sich hier also um nichts weiter als eine interne Wahrscheinlichkeitsrechnung unseres Denkapparats auf Basis der limitierten Informationen die er bekommt. Da es sich hierbei aber um eine positive Assoziation handelt, gemeinhin auch als positive Diskriminierung bezeichnet, interessiert dieser Sachverhalt oftmals nicht weiter. Als Problem wahrgenommen werden diese Prozesse unseres Gehirns erst dann, wenn es sich um eine negative Form dieser Mustererkennung oder eben negative Diskriminierung handelt.

Bevor wir jetzt also zu den weiteren „Ergebnissen“ des „Experiments“ kommen, müssen wir uns erst vor Augen führen, was die optischen Merkmale – also z.B. die Körperform – der stark übergewichtigen Ariane für Informationen vermitteln und welche Wahrscheinlichkeiten vermutlich in den Köpfen der Versuchspersonen ablaufen, wenn sie mit diesem Bild konfrontiert werden.

Auch wenn viele, wenn nicht sogar alle, Formen von Stereotypen kulturell geprägt sind und durch gesellschaftliche Normen reproduziert werden, so bedeutet das nicht, dass es für die Existenz solcher Stereotype nicht valide und empirisch überprüfbare Gründe gibt. Gerade in Bezug auf Übergewicht gibt es eine überwältigende Menge an medizinischen und wissenschaftlich erhobenen Daten, die einen nahezu unumstößlichen Zusammenhang zwischen Übergewicht und signifikant erhöhtem Erkrankungsrisiko nachweisen. Das betrifft sowohl Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Schlaganfälle, Diabetes, Schlafapnoe, Arthritis und Gelenkprobleme, als auch ein erhöhtes Risiko mentale Krankheiten wie Depressionen zu entwickeln. Sogar Verringerungen der Gehirnleistung konnte in adipösen Kindern und Erwachsenen festgestellt werden. Die Autorin Dr. Nadja Hermann hat die Auswirkungen von Übergewicht und Adipositas in ihrem Buch „Fettlogik überwinden“ sehr anschaulich zusammengefasst. Sie schreibt:

„Eine Studie von Grover et al. 2014 vergleicht Gesundheit und Lebenserwartung der Menschen in verschiedenen Gewichtskategorien. Interessant ist dabei, dass nicht nur die verlorenen Lebensjahre gezählt wurden, sondern auch die verlorenen gesunden Jahre, also gewissermaßen die Lebensqualität. Die Ergebnisse beziehen sich lediglich auf die größten Risikofaktoren, nämlich Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Studie zufolge verlieren leicht Übergewichtige bis zu 2,7 Lebensjahre und 6,3 gesunde Jahre, wenn sie bereits als junge Erwachsene übergewichtig sind. Bei Adipositas steigt der Lebenszeitverlust schon auf bis zu 5,9 Jahre, der Verlust gesunder Lebensjahre auf bis zu 14,6 Jahre. Im schwer adipösen Zustand schließlich tritt der Tod bis zu 8,4 Jahre früher ein und es gehen im Schnitt bis zu 19,1 gesunde Jahre verloren.“

Steigendes Körpergewicht geht also mit einer sinkenden Lebensqualität und einem erhöhten Sterberisiko einher. Auch wenn die befragten Personen im Beitrag von Puls diese medizinischen Daten nicht kennen, so wissen sie jedoch intuitiv, dass ein deutlich sichtbares Übergewicht etwas Negatives ist. Deutlich erhöhtes Körpergewicht fungiert als ein evolutionär-geprägtes biologisches Signal, welches uns vermittelt, dass die betroffene Person mit hoher Wahrscheinlichkeit ungesund lebt, was direkten Einfluss auf unseren zwischenmenschlichen Umgang mit dieser Person hat. Das mag nicht unbedingt fair sein und mag im Einzelfall auch nicht der Wahrheit entsprechen – schließlich finden sich immer Ausnahmen von der Regel, welche letztendlich aber die selbige nur bestätigen – weshalb auch hier immer wieder hinterfragt werden sollte, ob die eigene schnelle und intuitive Einschätzung einer Person wirklich korrekt ist. Unabhängig davon muss aber akzeptiert werden, dass die negative Grundhaltung, die die wenigen Befragten in der Straßenumfrage offenbar gezeigt haben nicht aus einer persönlichen, bewussten Abneigung oder feindlichen Haltung gegenüber Übergewichtigen entsteht, sondern einen unmittelbare, unbewusste Verankerung in unserem Gehirn besteht welche unser Urteilsvermögen dahingehend beeinflusst.

Wow. Eine Stichprobe mit 12 Beobachtungseinheiten, oder alternativ n = 12. Ohne jetzt in weitere Erklärungstiraden zum Thema Stichprobengröße und Zufallsstichprobe zu verfallen, möchte ich hier nur kurz anmerken, dass eine so kleine Anzahl an Befragten, die die Puls-Redakteure „zufällig“ auf der Straße angesprochen haben, keinerlei verlässliche Ergebnisse produzieren kann. Man könnte maximal von einer Pilotstudie reden, in der untersucht wird, ob es überhaupt ein Phänomen zu entdecken gibt, welches einer sauber durchgeführten Studie würdig ist. Aber wie wir gleich sehen werden, wird selbst dieses Mindestmaß an wissenschaftlichen Standards nicht erreicht.

Ok. Was passiert hier gerade?

Ähm, ist das jetzt euer ernst? Stopp. Aufhören.

Oh. Mein. [zensiert]. Gott.

Ok, ok, ok, ok… nur damit ich das jetzt richtig verstehe. Ihr zeigt den gleichen Personen zuerst das Bild der normalgewichtigen Frau und direkt im Anschluss das Bild der stark übergewichtigen Frau. Und dann stellt ihr auch noch Suggestivfragen im Sinne von „Stell dir bitte vor, dass ich dir das erste Bild nicht gezeigt hätte – wie würde dann deine Entscheidung beim zweiten Bild aussehen?“ In welcher Realität, kann es sich hierbei eurer Meinung nach um ein korrekt durchgeführtes „Experiment“ handeln, wenn durch euren Aufbau den befragten Personen bereits suggeriert wird, dass sie sich jetzt beim zweiten Bild anders entscheiden sollten bzw. könnten, als beim ersten Bild. Warum, liebes Puls-Team, fällt euch diese offensichtliche Manipulation eurerseits nicht auf? Mit was für einem Anspruch seid ihr überhaupt an diesen Beitrag und dem dazugehörigen „Experiment“ gegangen? Und bitte, wer auch immer sich dazu genötigt fühlt, verschont die Welt bitte mit der fast schon klischeehaften Apologie „Ja, aber das ist doch nur ein Beitrag fürs Fernsehen und wissenschaftliche Standards für korrekt durchgeführte Experimente spielen dabei doch keine Rolle!“.

Falsch. Sie spielen eine große Rolle, weil es sich hier um die Vermittlung korrekter Informationen und Vorgehensweisen handelt, die nicht nur im wissenschaftlichen und akademischen Kontext eine Relevanz besitzen. Außerdem besitzt auch der bayrische Rundfunk, als öffentlich-rechtliche Medienanstalt, einen Bildungsauftrag und damit die Verpflichtung seine Beiträge auf Korrektheit und die Vermittlung legitimer Informationen und Inhalte zu prüfen. Dieser Beitrag zeigt das genaue Gegenteil von dem, wie eine wissenschaftliche Studie durchgeführt werden muss, um zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen.

Zuerst einmal müsste eine solche Studie oder Umfrage mit einer größeren Stichprobe durchgeführt werden, dessen Teilnehmer durch ein Zufallsverfahren ausgewählt werden, welches möglichst viele Störvariablen ausschließt. Weiterhin müssen diese Teilnehmer in mindestens zwei, wenn nicht sogar drei Gruppen eingeteilt werden: Experimentalgruppe 1, Experimentalgruppe 2 und eine Kontrollgruppe. Den Experimentalgruppen müsste man dann *EINES* der beiden Bilder zeigen und deren Reaktionen aufzeichnen. Der dritten Gruppe, also der Kontrollgruppe, müsste ein völlig unzusammenhängendes Bild einer Person mit z.B. identischer Kleidung gezeigt werden, um auszuschließen, dass diese spezielle Darstellung (Kleidung, Hintergrund, Gesamtwirkung des Bildes) eine messbare Auswirkung auf die Entscheidung der Teilnehmer der Umfrage hat. Außerdem muss der Interviewer die Befragung absolut wertfrei und ohne die Verwendung suggestiver Andeutungen und Fragen vornehmen, um eine mögliche Beeinflussung der Teilnehmer auszuschließen.

Aber all das spielte für die Redaktion von Puls offenbar keine Rolle, da es in diesem Beitrag offensichtlich nur darum gehen sollte ein Narrativ zu transportieren und einen Opferstatus übergewichtiger Menschen zu zementieren. Anstatt sowohl über die Risiken von Übergewicht oder sogar starken Übergewicht zu informieren als auch den Zuschauer darauf hinzuweisen, dass seine intuitiven, schnellen Entscheidungen, egal ob sie jetzt auf Basis von Kleidung, Körperform oder sonstigen unzusammenhängenden Merkmalen basieren, fehleranfällig sind und daher immer mit einer Selbstreflexion und Selbsthinterfragung einhergehen sollten. Absolut beschämend.

Und schon wieder folgt einen Wechsel der Position. Hat unser Plus-Size-Model jetzt auf schlanke Zeiten gewartet? Oder hat sie sich bewusst dafür entschieden ihre jetzige Körperform zu haben? Aus meiner Sicht, wirkt das eher wie eine Auflösung der kognitiven Dissonanz, die Jana jahrelang in sich getragen hat. Da sie nicht die Kraft aufbringen konnte schlank oder normalgewichtig zu werden, aber gerne so sein wollte und auch wusste, dass es besser für sie und ihren Körper wäre normalgewichtig zu sein, hat sie sich jahrelang schlecht gefühlt. Am Ende hat sie nicht erkannt, dass ihr die mentale Stärke fehlte ihr Ziel zu erreichen und sich nicht etwa Hilfe geholt oder letztendlich mit ihrer Situation abgefunden; nein, sie hat stattdessen ihre kognitive Dissonanz von einer anderen Seite her aufgelöst: Ich bin gut so wie ich bin und die Gesellschaft ist böse, die Gesellschaft weiß nicht was richtig ist, denn so wie *ich bin* soll es auch sein.

Irgendein Typ aus Berlin, so ein Kiffer, so so. Bisschen diskriminierend, findest du nicht auch liebe Jana? Welche Relevanz hat diese Information und was willst du uns damit sagen? Dass Kiffer dazu neigen übergewichtige Frauen zu beleidigen? Dass Kiffer tendenziell keine Ahnung haben? Hast du hier etwa gerade selbst ein in der Gesellschaft als negativ anerkanntes Merkmal herausgepickt, um diese Person von dir zu unterscheiden und für den Leser pauschal zu charakterisieren? Hast du hier etwa gerade selbst diskriminierend gehandelt? Nur mal so ein Gedanke.

Und erneut kommt die Kleidung ins Spiel. Natürlich könnte sich eine Frau mit starkem Übergewicht anders kleiden, als in dem Beispielbild gezeigt, um seriöser und attraktiver zu wirken sowie negativen Assoziationen vorzubeugen. In unserem „Experiment“ wird dem Zuschauer jedoch suggeriert, dass beide gezeigten Frauen identische Kleidung tragen würden, da beide Oberteile weiß sind. Dem ist jedoch nicht so. Zum einen ist der Schnitt der beiden Oberteile nicht gleich: Während für die normalgewichtige Ariane ein Oberteil mit typischem Frauenschnitt verwendet wurde, trägt die stark übergewichtige Ariane ein Unisex-Shirt, welches durch seinen unvorteilhaften Schnitt mehr negative Assoziationen beim Beobachter erzeugen kann. Vor allem im direkten Vergleich wird eine sehr starke Verzerrung bei den Teilnehmern der Umfrage ausgelöst – diese wird als Kontrasteffekt bezeichnet und ist eine sehr häufig auftretende Wahrnehmungsverzerrung, wenn zwei Sachverhalte, die in Kontrast zueinander stehen, gleichzeitig oder in kurzer Abfolge nacheinander präsentiert werden.

Und wenn ihr mehr über kognitive Verzerrungen und Wahrnehmungsfehler wissen wollt, dann schaut doch mal bei diesem intergalaktischen Wissenskanal vorbei: Space Rationalist behandelt in ihren Videos die Themen Rationalität und Wissenschaft und alles was noch so dazugehört. Also, worauf wartest du doch?

Wir sehen also: Mit diesem „Experiment“ ist alles falsch gelaufen, was aus wissenschaftlicher Sicht nur falsch laufen kann. Wir können den Ergebnissen nicht ansatzweise Vertrauen schenken, da die Menge an Störvariablen und möglichen Verzerrungen der gegebenen Antworten kaum zu quantifizieren oder überhaupt nachzuvollziehen sind.

Diese beiden Shirts sind nicht identisch. Es sind nicht einfach „nur weiße Shirts“ wie ich gerade zuvor beschrieben habe. Kann mich bitte jemand aus diesem Alptraum aufwecken?

Neues Experiment, diesmal werden Eigenschaften abgefragt und die gleichen fundamentalen Fehler werden wieder gemacht. „Na, was wäre wenn ich euch dieses Bild zeigen würde? Das wollt ihr doch bestimmt ganz anders bewerten als das vorherige, oder?“

Wow. Wo soll man da anfangen? Mal abgesehen davon, dass die Analogie zwischen übergewichtigen Menschen und anderen demographischen Minderheiten ziemlich weit hergeholt, wenn nicht sogar unzulässig ist, stellt die Gruppe der Übergewichtigen nicht einmal eine Minderheit oder Randgruppe dar. In westlichen Ländern sind, je nachdem welche Studien, Zahlen und Messmethoden man als Grundlage nimmt, mehr als 50% der Bevölkerung außerhalb ihres Normalgewichts. Aber vielleicht redet sie ja wirklich nur von den „Plus Size Personen“, also stark übergewichtigen bzw. adipösen Menschen. In diesem Fall mag zwar in ihrem Vergleich mit anderen Minderheiten rein auf zahlenmäßiger Basis ein Fünkchen Wahrheit bestehen, nicht jedoch mit der Art der Gruppenbildung. Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe lassen sich nicht ohne weiteres bzw. in den meisten Fällen gar nicht ändern. Im Gegensatz zum Übergewicht. Niemand (außer in sehr seltenen Fällen schwerer Stoffwechselkrankheiten) ist dazu verdammt übergewichtig oder fettleibig zu sein. Aber ja, die Opferolympiade anzuführen ist natürlich immer nützlich, vor allem dann, wenn man selbst ja sogar davon profitiert und seinen vermeintlichen Opferstatus zur Einnahmequellen gemacht hat.

Ach ja, und dann war da noch die Behauptung, dass es sich dabei um eine „legale“ Diskriminierung handeln würde. Job-Bewerber mit unerwünschten körperlichen Merkmalen können nahezu immer vom Arbeitgeber abgelehnt werden, wenn es dafür einen objektiven und nachvollziehbaren Grund gibt. So wie eine Frau mit einer zu geringen Körpergröße nicht zum Polizeidienst zugelassen werden muss, so kann auch ein Bademeister mit zu starkem Übergewicht entlassen werden, weil dieser im Notfall nicht in der Lage wäre einen ertrinkenden Menschen zu retten. Diese Formen der Diskriminierung sind grundsätzlich zulässig, da das Gleichbehandlungsprinzip immer mit dem Grundsatz der Bestenauslese in Einklang gebracht werden muss. Körperlich ungeeignete Bewerber von bestimmten Tätigkeiten auszuschließen, ist problemlos mit demokratischen und ethischen Grundsätzen vereinbar, vor allem dann, wenn von der reibungslosen Ausführung dieser Tätigkeiten Menschenleben abhängen.

Aber es gibt ja nicht nur den arbeitsrechtlichen Bereich, sondern auch die zwischenmenschliche Kommunikation in der übergewichtige und adipöse Menschen tendenziell eher von diskriminierenden Aussagen betroffen sind. An dieser Situation lässt sich leider auch nicht viel ändern, da eine staatliche oder gesellschaftliche Sanktionierung entweder absolut ineffektiv wäre oder massiv drakonisch gestaltet werden müsste, um eine wirkliche Veränderung zu erreichen. Daher, auch wenn es eigentlich keinerlei Erwähnung bedürfen sollte, dennoch hier noch einmal eine grundsätzliche Verhaltensregel, an die sich jeder halten sollte: Spart euch Beleidigungen oder schnippische Kommentare über die äußerlichen Merkmale anderer. Kritisiert Ideen und nicht Personen oder deren Aussehen – bleibt redlich. Doch mir ist bewusst, dass es immer einen gewissen Anteil der Population geben wird, die diese Verhaltensregel bewusst oder unbewusst ignorieren wird – daher auch noch ein paar Worte an die potenziellen Empfänger dieser negativen Kommentare: Stellt euch auf diese Menschen und Aussagen ein, lernt damit umzugehen und filtert relevante von irrelevanter Kritik. Verfallt jedoch nicht in ein Opferstatus-Denken, so wie es unser Plus Size Model im Beitrag präsentiert. Akzeptiert eure Situation oder leitet alle notwendigen Schritte zur Veränderung eurer Situation ein.

Fassen wir zusammen: Auch wenn das Memo inzwischen bei nahezu jedem angekommen sein müsste, muss ich es an dieser Stelle einfach noch einmal explizit erwähnen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, hier in Gestalt des bayrischen Rundfunks und des Magazins Puls, versagt erneut darin eine Vermittlung von korrekten Informationen zu bewerkstelligen. Stattdessen wird, entweder aus Unwissen oder aus dem Ziel heraus ein bestimmtes Narrativ nach vorne zu treiben, eine völlig falsche methodische Herangehensweise an ein „Experiment“ präsentiert, mit dessen Daten am Ende ein bereits vorab feststehendes Ergebnis untermauert werden soll. Nicht nur, dass dem Zuschauer damit ein völlig falsches Bild von wissenschaftlicher Methodik vorgesetzt wird, nein, mit diesen fehlerhaft erhobenen Untersuchungsergebnissen wird zusätzlich auch noch die Opfermentalität einer vermeintlichen Minderheit heraufbeschworen. Dass aber weder übergewichtige Menschen die Kriterien einer marginalisierten gesellschaftlichen Randgruppe erfüllen, noch dass das reine „mit dem Finger auf die Gesellschaft zeigen“ irgendeine positive Veränderung erzeugen kann, spielt für den bayrischen Rundfunk offenbar keine Rolle. Ein Verweis auf die Fehleranfälligkeit intuitiver Entscheidungsprozesse des menschlichen Gehirns, gerade in Fragen der Stereotypisierung von Personen oder Gruppen, wäre hier weitaus effektiver und redlicher gewesen, anstatt zum x-ten Mal die böse Gesellschaft oder den bösen Kapitalismus aus dem Mottenschrank zu zerren und zum Sündenbock zu erklären.

Wissenschaft und Rationalität sind die effektivsten Wege um der Erkenntnis ein Stück näher zu kommen. Wer Wissenschaft jedoch für seine Narrative missbraucht, weil er glaubt damit einem guten Zweck zu dienen, der wird früher oder später damit denen einen Weg bereiten, deren Intentionen das genaue Gegenteil von „gut“ sind.

Wenn euch das Video gefallen hat, dann gebt dem Ganzen doch bitte einen Daumen nach oben und lasst ein Abo da. Wenn ihr Fragen oder Feedback habt, dann würde ich mich freuen, wenn ihr mir in die Kommentarsektion schreibt oder mir eine E-Mail sendet. Alle Informationen zu meinen Profilen in den sozialen Medien, sowie alle Quellen die ich für die dieses Video herangezogen habe, findet ihr – wie immer – in der Videobeschreibung. Vielen Dank fürs Zuschauen, bis zum nächsten Mal, euer Doktorant.

 

 

Offener Brief an ARD, ZDF und FUNK

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich schreibe diesen Brief bezüglich des Programms von „Jäger & Sammler“, einen durch FUNK finanziell geförderten Youtube-Kanal mit etwa 3500 Abonnenten. In 9 der 49 bisher durch den Kanal veröffentlichten Videos ist die Youtuberin Suzie Grime zu sehen – eine Person, die meiner Meinung nach keine Gelder aus dem Rundfunkbeitrag erhalten sollte, da sie auf eine unprofessionelle Art und Weise nachweislich falsche und radikal-ideologisch motivierte Inhalte vor ein jugendliches Publikum trägt. Laut der FUNK Website ist das angestrebte Zielpublikum zwischen 14 und 29 Jahren alt und folglich zum Teil noch minderjährig. Suzie Grime, gegen welche bereits mehrfach wegen Drogenkonsum – unter anderem öffentlich sichtbar auf Youtube – ermittelt wurde und die davon berichtet, wie toll die Einnahme von Ritalin doch sei, ist unter keinen Umständen ein geeignetes Vorbild für das junge Publikum, welches FUNK mit seinen Beiträgen erreichen möchte.

Sie bezeichnet sich selbst als Feministin – also als Person, die sich für eine Gleichberechtigung aller Menschen einsetzt – verunglimpft jedoch First Lady Melania Trump aufgrund ihrer zum Teil freizügigen Vergangenheit, hetzt gegen heterosexuelle Männer und weiße Menschen, blockiert und verbannt selbst sachliche Kritiker in kürzester Zeit, um einem konstruktiven Diskurs aus dem Weg zu gehen, behauptet, dass ihre Kritiker sie nur aufgrund ihrer „linken Einstellung“ verachten würden und wirbt vor ihrem jungen Publikum unkritisch und unreflektiert für Schönheitsoperationen.

An dieser Stelle habe ich für Sie einige weitere Aussagen von Suzie Grime zusammengestellt, damit Sie sich auch selbst ein Bild davon machen können, wer dort im Namen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in Zusammenarbeit mit „Jäger & Sammler“, Geld aus dem Rundfunkbeitrag erhalten hat und auch weiterhin erhält. Die folgenden Inhalte sind in keiner Weise bearbeitet.

http://archive.is/4qG2t 

http://archive.is/RKvDq 

Sie scheint sich ihrer Unbeliebtheit bei allen, welche ihr Weltbild nicht bedingungslos teilen, durchaus bewusst zu sein und nutzt die Kollaboration mit FUNK, um sich selbst zu überhöhen und um sich über ihre Kritiker lustig zu machen.

http://archive.is/9vwij 

Diese Aussage ist auch der hauptsächliche Grund, weshalb ich mich entschieden habe Sie bezüglich dieser Sache zu kontaktieren. Auch wenn sämtliche Auftritte von Suzie Grime bei „Jäger & Sammler“ bestenfalls als problematisch zu bezeichnen sind, werde ich mich auf das aktuellste Video zum Thema „Gender Pay Gap“ beschränken:

Das Video öffnet mit einer Aufnahme von Suzie Grime, die in einer mit Requisitengeldscheinen gefüllten Badewanne sitzt. Sie erklärt, dass die männlichen Zuschauer mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Geld für ihre Arbeit bekommen als sie. Suzie Grime führt diese Behauptung weiter aus und sagt, dass Frauen im Durchschnitt 21% weniger Geld verdienen als Männer und daher „bis zum 18. März umsonst arbeiten“ würden.

Ganz abgesehen von der moralischen und gesellschaftspolitischen Fragwürdigkeit dieser Aussagen, mit denen potenziell neue Neiddebatten und Feindseligkeiten zwischen den Geschlechtern provoziert werden können, wird hier eine Verdrehung der Tatsachen vorgenommen: Frauen *verdienen* nicht 21% weniger Geld als Männer; Frauen *erhalten im statistischen Mittel* 21% weniger Geld als Männer. Was jedoch nicht daran liegt, dass Frauen eine Form von Diskriminierung durch ihren Arbeitgeber oder die Gesellschaft insgesamt erfahren würden, wie die Verwendung des Wortes „verdienen“ suggeriert. Da für die Erhebung des unbereinigten Gender Pay Gaps ausschließlich die durchschnittlichen Brutto-Stundenlöhne von Frauen und Männern miteinander verglichen werden, lässt sich daraus in keiner Weise ableiten, bis zu welchem Tag im Jahr alle Frauen vermeintlich „umsonst arbeiten“ müssten. Der irreführende Charakter des unbereinigten Gender Pay Gaps wurde bereits in zahlreichen Publikationen demonstriert, so z.B. in der Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder dem Online-Magazin Telepolis. Die unkritische Verwendung der 21%-Zahl und somit des unbereinigten Gender Pay Gaps bedeutet, dass Suzie Grime und der Youtube-Kanal „Jäger & Sammler“ willentlich in Kauf nehmen, anhand von Halbwahrheiten und Fehlinformationen, ihrem jungen Publikum ein falsches Bild der gesellschaftlichen Situation zu präsentieren.

Im einem kurz darauf folgenden Clip unterhält sich Suzie Grime mit einigen Möbelpackern über den Gender Pay Gap. Welchem Zweck diese Szenen dienen sollen wird nicht klar: Die gezeigten Männer besitzen offenkundig keine Fachkenntnis zu dieser Thematik und können daher nur nickend beipflichten, ohne dass ein konstruktives Gespräch zustande kommt. Besonders zynisch an dieser Situation: Suzie Grimes Gucci Handtasche, welche kurz zuvor im Video sekundenlang deutlich zu sehen ist, überschreitet das verfügbare monatliche Einkommen eines Möbelpackers mit hoher Wahrscheinlichkeit um mehrere Größenordnungen.

In den folgenden Minuten schlägt das Video eine andere Tonart an. Suzie Grime verweist auf das Institut der deutschen Wirtschaft Köln, in dessen Studie der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen mit Hilfe wissenschaftlicher Methodik analysiert wurde. Die Forscher des IWKöln gelangten, nach Berücksichtigung verschiedener Faktoren, wie Häufigkeit von Teilzeitbeschäftigungen, Bildungsstand, Dauer der Betriebszugehörigkeit, geringerer Tendenz in Führungspositionen zu arbeiten usw., zu dem Ergebnis, dass der *bereinigte* Gender Pay Gap unter 2% fällt. Als Reaktion auf diese wissenschaftlichen Ergebnisse entfahren Suzie Grime mehrfach schnippische und abweisende Kommentare – vermutlich, da diese Ergebnisse den Kernaussagen ihres Videos widersprechen. Schließlich deutet bereits das von ihr in dieser Szene getragene T-Shirt, mit eindeutig politischer Botschaft, daraufhin, dass journalistische Neutralität kein Kriterium bei der Erstellung dieses Beitrags von Jäger & Sammler gewesen sein kann.

Es folgt ein Interviewausschnitt zwischen Suzie Grime und Dr. Jörg Schmidt, einem promovierten Ökonomen des Deutschen Institutes für Wirtschaft Köln, in welchem dieser erläutert, dass viele Frauen ihre Karriere zugunsten der Familienplanung aus eigener Entscheidung heraus in den Hintergrund stellen und Einkommensunterschiede demnach nicht auf Diskriminierung zurückzuführen sind. Ein Widerspruch oder weitere Nachfragen vonseiten Suzie Grimes gibt es nicht. Stattdessen werden den Aussagen von Dr. Jörg Schmidt nun Behauptungen von Frau Henrike von Platen, einer „Equal Pay Expertin“, gegenübergestellt. Inwiefern die von Frau von Platen vorgebrachten Punkte nachweislich korrekt sind und auf welche Quellen sie sich dabei bezieht, wird im Video nicht verraten. Somit werden die Aussagen eines Ökonomen, getätigt auf Basis wissenschaftlicher Erhebungen, mit der Meinung einer „Equal Pay Expertin“ verglichen und auf eine argumentative Stufe gestellt. Für das junge, vermutlich naive Publikum ist es unmöglich die beiden vorgebrachten Positionen, in Bezug auf deren Validität, angemessen zu beurteilen.

In der anschließenden Szene versucht Suzie Grime dann, die Aussagen des IWKöln auf die bereits bekannte Art und Weise zu entkräften: Frauen würden es sich eben nicht aussuchen in Teilzeit zu arbeiten, da Aufgaben im Haushalt oder Kindererziehung „laut Statistiken an ihnen hängen bleiben“ – ohne das diese behauptete Kausalität mit der Angabe entsprechender Quellen belegt wird. Während Suzie Grime diese Behauptungen von sich gibt, wirft sie verachtende Blicke auf eine von ihr getragene Babypuppe – möglicherweise um zu implizieren, dass Kinder für Frauen lediglich eine unerwünschte Belastung seien. Ob diese Perspektive von Müttern und Frauen mit Kinderwunsch geteilt wird und ob das mit der Verantwortung und Vermittlung sozialer sowie gesellschaftlicher Werte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Einklang steht, wage ich zu bezweifeln.

Des Weiteren merkt Suzie Grime an, dass „typische Männerberufe“ besser bezahlt werden würden als „typische Frauenberufe“, ohne dabei ein Wort darüber zu verlieren, dass Deutschland ein Land ist, welches eine freie Berufswahl unabhängig vom Geschlecht ermöglicht und garantiert. Dass jedoch genau diese Tatsache dazu führt, dass Frauen häufiger Karrierewege wählen, welche als „feminin“ angesehen werden – diese Entscheidung also auf individuellen Interessen begründet ist – und dass dieses Phänomen bereits intensiv dokumentiert worden ist (vgl. „Hjernevask – Das Gleichstellungsparadox“, Dokumentationsserie des norwegischen Soziologen Harald Eia, 2011) wird nicht erwähnt.

Im weiteren Verlauf des Videos präsentiert Suzie Grime zwei ihr zugesandte Beispiele, in welchen Frauen von Sexismus und Diskriminierung am Arbeitsplatz berichten. Ob die berichteten Ereignisse jedoch genauso vorgefallen sind, wird in keiner Weise bestätigt und daher können diese Aufnahmen bestenfalls als anekdotische Evidenz betrachtet werden. Kurz erwähnt werden ebenfalls – erneut ohne Angabe von Quellen – „Studien“ zur Existenz einer gläsernen Decke beim Karriereaufstieg, allerdings ohne weitere Erläuterung.

Abschließend wird ein Clip eines polnischen Parlamentariers, welcher eindeutig frauenfeindliche Aussagen von sich gibt, gezeigt. Was dies jedoch mit dem Gender Pay Gap in Deutschland zu tun haben soll, bleibt unklar. Es lässt sich nur darüber spekulieren, ob damit die menschenfeindlichen Äußerungen einer Einzelperson als vermeintlicher Beleg für eine scheinbar weite Verbreitung dieses Gedankenguts angeführt werden sollen. Jedoch unabhängig davon, ob das tatsächlich der Intention von Suzie Grime und „Jäger & Sammler“ entspricht, so nimmt die argumentative Vorgehensweise der Verantwortlichen in der Gesamtheit dieses Videos schockierende Ausmaße an.

Weder die inhaltliche Umsetzung, noch die Art der Präsentation sind dem Niveau öffentlich-rechtlicher Produktionen angemessen und verletzen auf grobe Weise die Kriterien des staatlichen Kultur- und Bildungsauftrags. Es scheint so, als wäre es das selbsterklärte Ziel von Suzie Grime und dem Youtube-Kanal „Jäger & Sammler“ eine eindimensionale, plakative und populistische Botschaft an ein junges Publikum vermitteln zu wollen, in der Frauen kollektiv als Opfer gesamtgesellschaftlicher Unterdrückung und Marginalisierung dargestellt werden, während das Kollektiv „Männer“ als vermeintlicher Nutznießer struktureller Vorteile und gesellschaftlicher Privilegien stilisiert wird. Durch das Schaffen eines solchen Schwarz-Weiß-Denkens wird die Fähigkeit der differenzierten Problembetrachtungen und –analysen gehemmt, während das Denken in Stereotypen, die Besinnung auf Vorurteile und die Suche nach einem Feindbild aktiv gefördert werden.

Als Zahler des Rundfunkbeitrages finde ich es absolut inakzeptabel, dass solch ein manipulatives und für den gesellschaftlichen Diskurs brandgefährliches Format mit meinem Geld finanziert wird. Ich bitte Sie daher inständig, die von mir in diesem Brief aufgeführte Kritik anzunehmen und noch einmal gründlich zu überdenken, ob die Arbeit von Suzie Grime und dem Youtube-Kanal „Jäger & Sammler“ tatsächlich mit dem Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Einklang steht und ob daher eine finanzielle Förderung weiterhin gerechtfertigt ist.

Mit freundlichen Grüßen

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Link zum Pastebin dieses Textes: https://pastebin.com/5F4qaP2r

Kontaktadressen zum Teilen:

info@DasErste.de
zuschauerredaktion@zdf.de
info@funk.net
Fernsehrat@zdf.de

Gerne auch auf allen sozialen Plattformen verteilen und verlinken. Vielen Dank!

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Update:

FUNK hat inzwischen auf den offenen Brief geantwortet:

Sehr geehrter Doktorant,

vielen Dank für Ihr Interesse an „Jäger & Sammler“.
Unser Angebot wendet sich an 20- bis 25-Jährige. Es ist uns daher wichtig, Themen aufzugreifen, die die Lebenswelt unserer Zielgruppe berühren und es ist uns wichtig, mit Moderatoren zu arbeiten, die unsere Zielgruppe ansprechen.

Suzie Grime ist eine junge, meinungsstarke Frau. Genau aus diesem Grund haben wir sie als Host ausgewählt. Suzie setzt sich öffentlich und auf ihrem privaten YouTube-Kanal für Feminismus – die Gleichberechtigung von Mann und Frau – ein. Wie Sie dadurch zu dem Schluss kommen, dass Suzie „gegen heterosexuelle Männer und weiße Menschen” hetzt, können wir nicht nachvollziehen.
Wir verbreiten in unseren Beiträgen keine „Halbwahrheiten und Fehlinformationen” – hinter Suzie Grime steht eine Redaktion, die die Themen erarbeitet und ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht nachgeht.

Neben ihrer Tätigkeit für „Jäger & Sammler” veröffentlicht Suzie Beiträge auf ihrem privaten YouTube-Kanal. Dies hat keinerlei Anbindung zu unserem Format „Jäger & Sammler”; ihre privaten Inhalte verantworten wir nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Inwiefern dieses Antwortschreiben nun die Kritikpunkte des offenen Briefs aufgreifen soll und ob sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einen Gefallen damit getan haben, eine solche Massen-Email an alle Verbreiter des offenen Briefs herauszuschicken, sei einmal dahingestellt. Ich habe meine Perspektive auf diese Reaktion in einer entsprechenden Antwort-Email dargelegt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihre Antwort hat mich sehr enttäuscht. Offensichtlich haben Sie die im offenen Brief vorgebrachten Punkte nicht gelesen oder Sie weigern sich zur angeführten Kritik Stellung zu beziehen. In diesem Brief wird in ausführlicher Weise argumentativ dargelegt, warum die zu Beginn getroffenen Einschätzungen von Suzie Grimes Arbeit und dem Kanal „Jäger & Sammler“ angemessen sind und an welchen Stellen im besprochenen Videobeitrag Halbwahrheiten und Fehlinformationen präsentiert werden. Ich hätte zumindest eine oberflächliche Auseinandersetzung und die Adressierung einzelner Kritikpunkte erwartet. Der Umstand, dass Sie hier eine Massen-Email versendet haben, wie die Rückmeldungen vieler Nutzer auf der Plattform Twitter dokumentieren, verdeutlicht jedoch, wie wenig Sie sich offenbar Ihrer Position innerhalb der öffentlich-rechtlichen Medien und der impliziten Verantwortung dem Rundfunkbeitragszahler gegenüber bewusst sind. Ihre Antwort ist ein gleichgültiger und despektierlicher Beitrag zur Debattenkultur in Deutschland und wird nicht nur mein Vertrauen in den öffentlichen Rundfunk und dessen Verantwortlichen, sondern auch das Vertrauen vieler Unterstützer des offenen Briefes, nachhaltig beschädigen.

Mit freundlichen Grüßen
Der Doktorant

Musik für Sexisten

Eigentlich möchte man meinen, dass es auch in Zeiten der gegenderten Wissenschaft, sexistischer Videospiele und Geschlechterdiskriminierung an der Ladentheke zumindest eine handvoll an Themen geben muss, welche nicht dem Vorwurf des Sexismus und der Frauenfeindlichkeit anheimfallen. Doch schließlich sprach einst Popkultur-Kritikerin Anita Sarkeesian wie der Prophet vom Berge zu uns: Everything is sexist, everything is racist. Und frei nach diesem Motto agiert auch die Schweizer Frauenzeitschrift annabelle und nimmt sich in einem Artikel den „Sexismus in der Musikbranche“ vor.

Zu Beginn stellt Autorin Miriam Suter folgende Fragen:

Wo sind eigentlich die Frauen auf den grossen Bühnen? Diese Frage beschäftigt mich schon lange. Und warum scheint es für Musikerinnen im Allgemeinen schwieriger zu sein, Erfolg zu haben?

Doch bevor wir zum Inhalt der „Analyse“ von Frau Suter kommen, möchte ich einen kurzen Abstecher in das Reich der anekdotischen Evidenz vornehmen: Als langjähriger Hobbymusiker und ehemaliges Mitglied mehrerer Musik- und Bandprojekte ist mir persönlich die „Musikbranche“ in vielen Teilaspekten durchaus vertraut. Bereits in den Anfangsjahren meiner musikalischen Tätigkeit ist mir aufgefallen, dass bei der Suche nach passenden Mitmusikern die Auswahl weiblicher Teilnehmer signifikant geringer war als die Anzahl männlicher Optionen. Vor allem für das typische Schema Unterhaltungsmusik, mit Schlagzeug, E-Gitarre, E-Bass und Gesang, fanden sich meistens nur für Letzteres Musikerinnen, während sich für die drei bis vier übrigen Instrumente oftmals ausschließlich die Herren der Schöpfung auftrieben ließen. In meiner jungen Naivität hörte meine Verwunderung darüber jedoch schnell wieder auf und mir genügte die selber hergeleitete Erklärung, dass sich dieses Ungleichgewicht durch unterschiedliche Interessen und Vorlieben zwischen Männern und Frauen erklären lässt.

Oh, wie ungebildet ich doch war! Hätte ich nur damals schon die Gelegenheit bekommen mich darüber belehren zu lassen, dass die primären Gründe für diese ungleiche Geschlechterverteilung natürlich nur eins sein können: Sexismus und Frauenfeindlichkeit.

In diesem Sinne belehrt daher auch Frau Suter einen nicht namentlich genannten Bekannten in ihrem Artikel über dieses „Sexismusproblem“:

It’s a Man’s World

„Was ist denn dein Problem, Frauen sind ja momentan in den Charts sehr gut vertreten“, meinte letztens ein Bekannter zu mir. Das mag stimmen. Aber diese Tatsache verstärkt eigentlich meine Frage: Warum sind sie dann beispielsweise an den Festivals nicht ebenso sichtbar? Fest steht: Die Musikwelt ist eine Männerdomäne. An den diesjährigen Musikfestivals in der Schweiz siehts jedenfalls grösstenteils mau aus mit dem Frauenanteil. Am Open-Air St. Gallen treten 42 Acts auf, darunter 14 Frauen – solo, als Teil einer Band oder als DJ. Am Zürich Openair steht zwar noch nicht das ganze Programm, der aktuelle Stand ist aber dennoch ernüchternd: Unter den 16 bestätigten Acts sind 2 Frauen. Nicht ganz so gravierend, aber ähnlich sieht es nach aktuellem Stand der bestätigten Acts am Gurtenfestival aus: Unter den 51 auftretenden Bands findet man elf Frauen.

Mein naives, jüngeres Ich möchte jetzt antworten: „Na ja, wenn im Durchschnitt weniger Frauen zu Schlagzeug, E-Gitarre und E-Bass greifen, dann muss doch allein dadurch schon ein quantitativer Unterschied entstehen, welcher sich natürlich auch in der Anzahl an Frauen auf Festivalbühnen niederschlägt“. Besonders dann, wenn die erwähnten Festivals mehrheitlich Bands einladen, die diesem Schema der Instrumentenverteilung folgen.

Das findet auch Philippe Cornu, der im nächsten Absatz zu Wort kommt:

Philippe Cornu bucht die Bands fürs Gurtenfestival und sagt: „Es gibt unbestritten weniger Musikerinnen als Musiker, die E-Gitarre, Schlagzeug oder Bass spielen. Gesang und Keyboards sowie Saxofon sind unter den Frauen eher verbreitet.“

Und er fügt hinzu:

„Wir achten im Bookingprozess nicht zwingend auf das Geschlecht, sondern darauf, welche Band, Musikerin oder Musiker gefällt, passt und auch auf Tour ist.“

Etwas schwammiger ist dann jedoch seine Erklärung dafür, warum weniger Frauen zu den genannten Instrumenten greifen:

„Warum dies so ist, hat geschichtliche Hintergründe in der gesellschaftlichen Entwicklung und der Stellung der Frau.“

Dass z.B. restriktive Geschlechterrollen in der Vergangenheit Frauen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon abgehalten haben eine Musikerkarriere ins Auge zu fassen, wodurch auch das Erlernen eines Instruments obsolet wurde, ist kaum abzustreiten (Nachtrag: Das galt zumindest für Frauen, die nicht Teil des gehobenen Bürgertums waren; siehe Hausmusik). Ähnliches sollte jedoch auch für Männer gegolten haben, denn die kostengünstige Massenproduktion von Musikinstrumenten, sowie die Möglichkeiten der analogen und digitalen Tonaufnahme sind erst mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Realität geworden. Die Anzahl der Instrumentalisten sollte sich vor dieser Zeit also stark in Grenzen gehalten haben, da nur für wenige überhaupt die finanziellen Möglichkeiten und Erfolgsaussichten bestanden einen solchen Karriereweg einzuschlagen. Ganz zu Schweigen davon, dass die besagten Instrumente (Schlagzeug, E-Gitarre und E-Bass) in ihrer heute noch gebräuchlichen Form erst im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden. Es können daher maximal die letzten 80 Jahre der „geschichtlichen Hintergründe in der gesellschaftlichen Entwicklung“ als Erklärung für das Geschlechterungleichgewicht herangezogen werden.

Insofern sich diese Argumentation als korrekt erweist, sollten wir außerdem Veränderungen dieses Ungleichgewichts finden; im besten Fall korreliert mit den Veränderungen der gesellschaftlichen Stellung der Frau. Wenn man sich allerdings die spärliche wissenschaftliche Literatur über dieses Thema anschaut, wird man überrascht. So schreibt Hal Abeles in seiner Publikation „Are Musical Instrument Gender Associations Changing?“ folgendes:

A comparison of the instruments played by boys and girls across three studies conducted in 1978, 1993, and 2007 showed little difference in the sex-by-instrument distribution. Girls played predominately flutes, violins, and clarinets, and most boys played drums, trumpets, and trombones.

Hier kommen wir also nicht weiter. Die empirischen Daten zeigen keine Veränderung der Präferenzen von Jungen und Mädchen bei der Wahl der Musikinstrumente. Realitätsferne Naturen könnten jetzt einwerfen: „Das liegt natürlich daran, dass sich auch die Stellung der Frau innerhalb der letzten 40 Jahre nicht verbessert hat!“. Und wer hätte es gedacht, in genau diese Kerbe schlägt auch der weitere Verlauf von Frau Suters Artikel:

Auch Fabienne Schmuki, Co-Geschäftsführerin der Zürcher Indie-Musikagentur Irascible Music, Kommissionsmitglied beim Popkredit der Stadt Zürich und Gründungsmitglied vom Musikverband Indie Suisse, findet: „Die Musikwelt ist eine Welt der Männer. In den Führungsetagen der grossen Schweizer Musiklabels gibt es kaum Frauen, wir besetzen vor allem die Positionen im Marketing oder der Kommunikation.“ Sie selbst hätten beim Berufseinstieg keine weiblichen Vorbilder gehabt. Schmuki hat, wie sie selbst sagt, eine „Männerschule“ genossen: „Ich arbeite viel mit Männern zusammen. Der Umgangston ist schon anders, rau, die Witze sind dreckiger. Aber wenn man damit keine Probleme hat, kann man sich in diesem Männerverein gut behaupten.“

[Hervorhebung nicht im Original]

Interessant ist hierbei nicht nur die Implikation, dass Frauen vermeintlich aufgrund von Geschlechterdiskriminierung seltener in den Führungsetagen großer Musiklabels sitzen. Nein, nicht nur das. Logischerweise ist diese fehlende weibliche Repräsentation in den Führungsetagen der Musiklabels auch der Grund dafür, warum Frauen weniger Interesse daran haben Schlagzeug, E-Gitarre und E-Bass zu spielen. Oder soll hier angedeutet werden, dass Musikgruppen sich auf Bestreben der Labels zusammenfinden und sozusagen „gecastet“ werden? Anderweitig lässt es sich mir zumindest nicht erklären, wie man diesen Zusammenhang herstellen kann. Sicherlich gibt es den stereotypen Fall der gecasteten Boy- oder Girlgroup. Die Mehrheit von Bands findet sich jedoch sehr oft vor dem Angebot eines Vertrags durch ein Label zusammen und ist bis zu diesem Zeitpunkt schon eine lange Zeit nicht-professionell aktiv.

Diese abstruse Mischung aus verdrehten Kausalitäten und anekdotischen Erzählungen setzt sich munter fort:

Eine Frau, die in ihrem Leben schon auf vielen Bühnen gestanden ist, ist Salome Buser. Sie spielt Bass in der Schweizer Bluesband Stiller Has. „Mir passiert es öfter, dass ich an meinen eigenen Konzerten nicht in den Backstage-Bereich gelassen werde, weil man mir nicht glaubt, dass ich zur Band gehöre“, erzählt sie. „Man sagt mir dann, ich sei doch nur ein Groupie, das reiche halt nicht, um hinter die Bühne zu kommen.“

[…]

Buser fügt an: „Vielleicht liegt es daran, dass generell weniger Instrumentalistinnen auf der Bühne stehen und wir deshalb nicht so stark als Musikerinnen wahrgenommen werden. Sondern in erster Linie als Frauen, die sich zuerst einmal beweisen müssen.“

Ein Abschnitt ließ mich dann doch laut auflachen:

Bleibt einer Musikerin also als einziger Ausweg, ihr Instrument in die Ecke zu stellen und ausschliesslich zu singen, um respektiert zu werden? Dass auch das keine Lösung ist, bestätigt die Schweizer Singer-Songwriterin Sophie Hunger: „Das Musikbusiness in der Schweiz ist sehr männerdominiert. Da hört man schnell mal: Komm Schatz, sing du, ich mach das hier mit den komischen Knöpfen!“

[Hervorhebung nicht im Original]

Ja, genau. Die Rollen in einer Band werden natürlich nach dem Geschlecht verteilt und nicht danach wer welches Instrument spielen kann oder wer eine ausgebildete Gesangsstimme besitzt.

Abschließend führt Frau Suter natürlich den heiligen Gral der Problemlösungen an und dieser lautet: Frauenförderung.

Die Hoffnung stirbt nicht

Eins ist klar: Mit dafür verantwortlich, dass es in der Schweiz weniger bekannte Musikerinnen als Musiker gibt, sind die fehlenden weiblichen Vorbilder. Und weniger Frauen auf den Bühnen bedeutet weniger Nachahmerinnen – ein Teufelskreis. Eine mögliche Lösung des Problems sieht Sibill Urweider in der ausgeglichenen musikalischen Förderung von Mädchen und Buben, um die Chancengleichheit bereits im Kindesalter voranzutreiben.

Schon im Kindesalter? Leider wird nicht näher spezifiziert, ab welchem Alter diese „ausgeglichene musikalische Förderung“ beginnen soll. Gehen wir aber einmal davon aus, dass der hier implizierte Zusammenhang korrekt ist und gesellschaftliche Normen dafür sorgen, dass Mädchen und Jungen schon im Kindesalter eine Vorstellung davon entwickeln, welche Instrumente von Frauen und welche von Männern gespielt werden sollten. Finden wir darüber Informationen in der empirischen Forschung?

Tatsächlich lassen sich Studien auffinden, die bereits in dreijährigen Kindern klare Geschlechterpräferenzen für bestimmte Instrumentengruppen aufzeigen. Die Autoren Marshall und Shibazaki schreiben in ihrem Artikel „Two studies of musical style sensitivity with children in early years“ dazu folgendes:

Results of the study suggested that even three-year-old children were able to make accurate discriminations between musical styles through the use of a broad range of referential criteria and also, we observed that a number of ‘person type’ and gender associations already appeared to be present in the attitudes and experiences of participants.

Und in einer zwei Jahre später erschienenen Studie mit dem Titel „Gender associations for musical instruments in nursery children: the effect of sound and image“ bestätigen die beiden Autoren ihre Ergebnisse. Die drei bis vier Jahre alten Kinder wurden unter zwei Bedingungen getestet: Zuerst wurden ihnen die Instrumente vorgespielt und ein Bild des jeweiligen Instruments gezeigt. In der zweiten  Bedingung bekamen die Kinder nur die Töne des Instruments zu hören.

Our current study explores the gender associations which very young children, many of whom have spent only a few months within the school system, have towards musical sounds and how these attitudes may be affected by the addition of an attendant image.

[…]

However, taken together, the results of this research appear to suggest that some form of association between very young children and the gender of individual instruments and musical styles already appears to exist in the very early stages of their educational life.

[Hervorhebung nicht im Original]

Die Kinder in dieser Studie zeigten nicht nur eine klare Geschlechterpräferenz, wenn sie die entsprechenden Instrumente sehen konnten und vorgespielt bekamen. Wurde den Kindern nur das Instrument vorgespielt, so drehte sich das Bild in die andere Richtung:

2

Eine Beeinflussung der Geschlechterpräferenzen für bestimmte Instrumente durch vorherrschende gesellschaftliche Normen und Geschlechterrollen lässt sich mit diesen Ergebnissen nicht stützen und ist daher (zumindest in diesem jungen Alter) als unwahrscheinlich einzuschätzen. Es sei denn man möchte argumentieren, dass es ein Bestandteil gesellschaftlicher Normen ist, akustische Wahrnehmungen als weiblich und optische Wahrnehmungen als männlich einzustufen.

Zusätzlich schreiben die Autoren:

Most recently, Hallam, Rogers, and Creech (2008) reported that many of the historical patterns of gender-associated instruments were still in evidence with pupils freely opting for the gendered instruments at all stages of education, and Abeles (2009), reflecting on the intervening 30 or so years since his initial studies, concluded that only limited changes had occurred in schools with certain instruments still being strongly associated with one particular gender.

[Hervorhebung nicht im Original]

In einem letzten Test konnten die Kinder dann wählen, für welche Instrumente sie sich selbst entscheiden würden. Hier ergab sich wieder die eindeutige Geschlechterpräferenz, die sich seit Jahrzehnten beobachten lässt.

3

Das junge Alter in dem die Geschlechterpräferenzen auftreten, die Konstanz mit der sich diese Präferenzen seit Jahrzehnten trotz gesellschaftlicher Veränderungen halten und die unterschiedlichen Rollenzuschreibungen bei entweder ausschließlich akustischen Reizen oder einer Kombination aus optischen und akustischen Reizen: Das alles weist auf biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern hin, die einen noch nicht näher bekannten Einfluss auf die Präferenz von Musikinstrumenten haben.

In jeder Publikation, die ich für diesen Artikel gelesen habe, wird erwähnt, dass dieses Phänomen noch viel zu wenig untersucht und daher weitere Forschung anzuraten ist. Umso überraschter war ich jedoch, dass in keiner dieser Publikationen auch nur angedeutet wird, dass die Ursachen dafür in Geschlechtsdimorphismen begründet sein könnten. Dieses Phänomen ist also auch ein Musterbeispiel dafür, wie sich Wissenschaftler der Interdisziplinarität verweigern können und stattdessen lieber weiter im Dunkeln herumfischen, anstatt einen Schritt zurückzugehen um das Gesamtbild zu betrachten.

Oder man macht es einfach wie Frau Suter und die Zeitschrift annabelle. Bietet schließlich auch die simpleren Lösungen.

Die deutsche Rape Culture

Ausgehend von meinem letzten Artikel über das kritische Denken habe ich mir einmal den feministischen Fachbegriff der Rape Culture vorgenommen. Passend dazu analysiere ich die Validität der vorgebrachten Argumentation des Blogs Pinkstinks, dessen Autoren behaupten, dass in Deutschland eine Rape Culture existiert. Ist das wirklich so oder wird erneut gezeigt, dass ein korrekter Nachweis der eigenen Behauptungen als irrelevant betrachtet wird? Viel Spaß!

Statistik fälschen leicht gemacht

Nachdem gestern Thomas „The Boss“ Fischer in einem Nachtrag zu seiner Kolumne vom 28.06.2016 erneut den Boden mit „empörten Feministinnen“ aufgewischt hat, ist die am selben Tag erschienene Replik von Frau Stokowski etwas unter dem Radar geflogen. „Das ist doch eigentlich ganz positiv!“, mag jetzt der eine oder andere von sich geben und würde dafür auch zustimmendes Nicken erhalten. Ich möchte mich daher auch gar nicht sonderlich lange mit den Zeilen von Frau Stokowski aufhalten, sondern mich mit einer Studie beschäftigen, die sie in ihrem Artikel verlinkt.

Sie schreibt:

Es geht um eine Reform, die Feministinnen seit Langem fordern, die wegen der Istanbul-Konvention seit Jahren fällig ist und im Grundsatz fraktionsübergreifend befürwortet wird. Rückert findet das verheerend: „Das Intime gerät in Verdacht, das Schlafzimmer wird zum gefährlichen Ort.“ Gefährlich für diejenigen, die potenziell Täter oder Täterin werden könnten. Für potenzielle Opfer hingegen war das Schlafzimmer bisher schon „ein gefährlicher Ort“: Im Jahr 2004 gaben in einer repräsentativen Studie in Deutschland 25 Prozent der Frauen an, körperliche und/oder sexualisierte Gewalt durch den Partner oder Ex-Partner erlebt zu haben. Längst nicht alle zeigen die Taten an. [Hervorhebung nicht im Original]

25% der Frauen, also jede Vierte, hat schon einmal körperliche und/oder sexualisierte Gewalt durch den Partner oder Ex-Partner erlebt? Das klingt ja ungeheuerlich. Und aus dem Grund habe ich mir die Studie Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland einmal etwas genauer angeschaut.

Aus meiner Sicht sind vor allem drei zentrale Fragen relevant: 1. Wie sind körperliche und/oder sexualisierte Gewalt definiert? 2. Mit welcher Methodik wurden die Daten erhoben? 3. Wie setzen sich die besagten 25% aus der Stichprobe zusammen?

1. Die Definition von körperlicher und sexualisierter Gewalt:

Die körperlichen Gewalthandlungen, die im Rahmen der Studie abgefragt wurden, umfas­sen ein breites Spektrum an Gewalthandlungen, von leichten Ohrfeigen und wütendem Wegschubsen über Werfen oder Schlagen mit Gegenständen bis hin zu Verprügeln, Wür­gen und Waffengewalt (vgl. Itemliste 1 im Anhang dieser Broschüre).

[…]

Im Vergleich zu den erfassten Handlungen körperlicher Gewalt bezogen sich die Items zu sexueller Gewalt auf einen engeren Gewaltbegriff, der ausschließlich strafrechtlich relevan­te Formen wie Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung und unterschiedliche Formen von sexueller Nötigung unter Anwendung von körperlichem Zwang oder Drohungen umfasste (vgl. Itemliste 2 im Anhang)

Fair enough, wie der Engländer sagen würde. Auch wenn ich ein ungutes Gefühl bei der Breite des Spektrums an erfassten Gewalthandlungen habe. Leichte Ohrfeigen und wütendes Wegschubsen werden mit Verprügeln, Würgen und Waffengewalt gleichgesetzt? Naja, dieser Faktor wird ganz bestimmt später in der deskriptiven Statistik berücksichtigt. Oder?

2. Die Methodik:

Die folgenden Überblicksdaten zur Gewaltbetroffenheit der Frauen seit dem 16. Lebensjahr beziehen sich bei körperlicher und sexueller Gewalt auf alle Angaben aus dem mündlichen und schriftlichen Fragebogenteil. Die Überblicksdaten zu sexueller Belästigung und zu psy­chischer Gewalt beziehen sich nur auf die Angaben im mündlichen Fragebogenteil, da zu diesen keine vergleichbaren Untersuchungsinstrumente im schriftlichen Teil vorliegen.

Eine Befragte galt als von einer Gewaltform betroffen, wenn sie in der Einstiegsfrage oder in der nachfolgenden Itemliste angab, mindestens eine der genannten Gewalthandlungen mindestens einmal in ihrem Erwachsenenleben erlebt zu haben; weitere Differenzierun­gen wurden dann anhand der nachfolgenden Angaben zu erlebter Gewalt vorgenommen. [Hervorhebung nicht im Original]

Natürlich wird dieser Faktor nicht berücksichtigt. Stattdessen reicht bereits der Umstand, dass eine Befragte irgendwann seit ihrem 16. Lebensjahr einmal „wütend geschubst“ wurde (welchen Mehrwert auch immer das Adjektiv dabei hat), um als „Opfer von Gewalt“ klassifiziert zu werden. Das dürfte wohl die beste Methode sein, um seine Zahlen inflationär aufzublähen. It’s not a bug, it’s a feature.

Und entsprechend sieht dann auch die erste Itemliste der mündlichen Befragung aus:

Studie_GewaltFrauenItemliste1

Beißen, Kratzen, Schubsen, Arm umdrehen auf der gleichen Stufe mit Verprügeln, Würgen, Verbrühen und Waffengewalt. Vermutlich sind unter dieser Definition 99% aller Menschen schon einmal „Opfer von Gewalt“ geworden, wenn sie auch nur eine öffentliche Schule besucht haben. Itemliste 2 ist komischerweise deutlich fokussierter und daher auch nachvollziehbarer:

Studie_GewaltFrauenItemliste2Mich dünkt, hier wurde in vollem Bewusstsein die Definition einer Gewaltform, nämlich der körperlichen Gewalt, so offen und breit wie möglich gestaltet, um noch einen Plan B in der Hinterhand zu halten, falls die erhobenen Daten am Ende nicht ins gewünschte Bild passen.

Da habe ich den Autoren aber dann doch zu viel „Anerkennung“ entgegenbringen wollen. Sie haben stattdessen einfach noch einen Fragebogen, mit einer eigenen Itemliste erstellt, um körperliche und sexuelle Gewalt in Paarbeziehungen zu erfragen:

Studie_GewaltFrauenItemliste4_1

Hm. Die Art und Weise der Befragung kommt mir irgendwie bekannt vor. Warum genau erfasst man hier nicht „ausschließlich strafrechtlich relevan­te Formen wie Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung und unterschiedliche Formen von sexueller Nötigung unter Anwendung von körperlichem Zwang oder Drohungen“, so wie in Fragebogen Nummer 2? Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

3. Die Zusammensetzung der zitierten 25%:

Und tadaa, was sehen wir dann in der deskriptiven Statistik?

Studie_GewaltFrauenItemliste3

Sexuelle Gewalt allein kommt „nur“ auf 12% bzw. 13% wenn auch noch die Daten aus einem weiteren, schriftlichen Fragebogen mit einbezogen werden. Dieser Wert war den Autoren offenbar zu gering und überraschenderweise ist nahezu jede dritte Befragte schon einmal Opfer von körperlicher Gewalt gewesen. Warum also nicht einfach eine weitere Kategorie erstellen, in der man dann mit einem zusätzlichen Fragebogen ermittelt, ob eine Befragte sexuelle oder körperliche Gewalt durch den Partner erlitten hat? Und schon sind wir bei den von Frau Stokowski zitierten 25%. Klingt natürlich deutlich besser, nicht wahr?


Jetzt bin ich bei einer weiteren Betrachtung der Formulierungen in der Tabelle aber doch noch mal etwas stutzig geworden. In der Legende findet sich folgende Erklärung:

die Anteile erhöhen sich,wenn Angaben aus schriftlichem Fragebogen einbezogen werden (siehe Angaben in Klammern bei türkischen/osteuropäischen Migrantinnen und Hauptuntersuchung).

Das heißt, dass die Zahlen ohne Klammern sich nur aus der mündlichen Befragung zusammensetzen, während sich die Zahlen mit Klammern entweder nur aus der schriftlichen Befragung oder aus mündlicher und schriftlicher Befragung zusammensetzen. Der Text ist in Bezug darauf leider nicht eindeutig. Für die Hauptstudie (also die dunkel-orange Spalte), wird aber noch einmal explizit gesagt, dass es sich hier nur um die schriftliche Befragung bei den Zahlen in Klammern handelt (****).

Warum sinkt die Zahl von 25% auf 13%, wenn man eine schriftliche Befragung durchführt? Dieser Unterschied ist definitiv nicht zu vernachlässigen. Wurden hier den Befragten bei der mündlichen Befragung bestimmte Antworten nahegelegt?

Die letzte Kategorie lautet außerdem „sexuelle oder körperliche Gewalt durch Partner“. Itemliste 5 beschreibt aber die „Erfassung von körperlicher und sexueller Gewalt in Paarbe­ziehungen im schriftlichen Fragebogen“.

Woraus setzen sich also die 25% zusammen, die laut der Legende aus einer mündlichen Erhebung stammen müssen, wenn nur eine schriftliche Befragung über körperliche und sexuelle Gewalt vorgenommen wurde? Wurden hier dann letztendlich doch die Werte aus Itemliste 1 und 2 zusammengeworfen?

Möglicherweise übersehe ich hier etwas. Oder die Studie ist einfach irreführend und basiert auf einer unpräzisen und schlechten Methodik. You decide.

Der Gender Pay Gap

Thema heute: Der verzweifelte Versuch von Spiegel-Online, den Gender Pay Gap als Geschlechterdiskriminierung zu verkaufen. Alternativtitel: Wie argumentiere ich möglichst emotional und substanzlos gegen wissenschaftliche Studien. Besprechung des Artikels wieder im Videoformat. Zweiter Teil des Videos folgt in Kürze. Viel Spaß!

„Gewalt: Es ist kein Weißer“

Margarete Stokowski. Das Lesen dieses Namens löst in meinem Kopf normalerweise eine Kaskade immer stärker werdender Schmerzen aus, die ich nur wieder los werde, wenn ich die, dem Namen nachfolgenden, geistigen Ergüsse einfach so gut wie möglich ignoriere.

Gestern jedoch, war alles anders. Vor meinem geistigen Auge spielte sich eine Szene aus einem Paralleluniversum ab. Ein Universum, in dem das kollektive Beschuldigen einer demographischen Gruppe völlig in Ordnung war. In dem Menschen für Körpermerkmale, über die sie keinerlei Kontrolle haben, angeklagt und in einen Topf mit Vergewaltigern, Mördern und Kinderschändern geworfen werden können. Einfach so. In diesem Paralleluniversum machte ich wie gewohnt die Webseite von Spiegel-Online auf und musste Folgendes lesen:

Kommt es zu einer Gewalttat, fragen wir nach der Geschichte des Täters, nach seinem Geschlecht, nach seiner Ideologie und seiner Motivation. Nach der Hautfarbe zu fragen, haben wir uns abgewöhnt. Warum?

Wenn wir von einer Schwangerschaft erfahren, stellen wir oft zwei Fragen: Wann ist es so weit? Und: Weiß man schon, was es wird? Wenn wir von Schlägereien, Massenmord, Vergewaltigung oder Mord hören, fragen wir nicht mehr: Weiß man schon die Hautfarbe? Wir gehen davon aus, dass es nicht-hellhäutige Personen waren.

[…]

Der Schauspieler Wendell Pierce, bekannt aus „The Wire“, wurde aufgrund mutmaßlicher Körperverletzung in Gewahrsam genommen. Mehr als 50 Frauen, unter ihnen eine Vielzahl hellhäutig, werfen dem Comedian und Schauspieler Bill Cosby sexuellen Missbrauch vor. Ein dunkelhäutiger Mann aus dem US-Bundestaat Georgia erschoss skrupellos mehrere seiner Familienmitglieder. Sogar die Gewalt unter schwarzen Teenagern ist weit verbreitet: Im April wurden einer 16-jährigen von mehreren Mitschülerinnen so starke Verletzungen zugefügt, dass sie kurz darauf in einem Krankenhaus verstarb.

In Italien wurde erst vor kurzem ein hochrangiger Menschenhändler mit dunkler Hautfarbe festgenommen. Black Lives Matter-Aktivisten rufen immer wieder offen zu Unruhen und Gewalt auf, die dann in entsprechenden Taten resultieren. Die Gang-Kriminalität macht auch nicht vor neunjährigen Kleinkindern halt. Und auch das Massaker in Orlando, welches mit 50 Toten und mehr als 50 Verletzten endete, wurde von einem nicht-hellhäutigen Mann mit Abstammung aus Afghanistan durchgeführt.

[…]

Wir reden nicht über Hautfarbe oder Herkunft, obwohl wir umgeben sind von Gewalt, die von nicht-hellhäutigen Menschen ausgeht. In den USA erfasste das FBI 2015 jeden Tag rund 13 Vergewaltigungen von Schwarzen bzw. Afroamerikanern, und das sind nur die Fälle, die bei der Polizei angezeigt wurden, die Dunkelziffer ist wesentlich höher. Insgesamt waren unter den Verdächtigten im Bereich Sexualstraftaten 24,3% Afroamerikaner, obwohl diese nur 12,6% der Gesamtbevölkerung in den USA ausmachen. Laut den Verbrechensstatistiken des FBI sind eine Vielzahl an Verstößen gegen das Gesetz in der nicht-weißen Bevölkerung der USA überproportional vertreten.

[…]

Immer sind es die Weißen, die ihr Verhalten anpassen sollen

Im Englischen gibt es den Begriff der „toxic blackness“, also einer Lebensweise, die auf Dominanz und Gewalt basiert und Gefühle nicht zulässt. Dazu gehört auch die Vorstellung einer gigantischen Ladung sexueller Triebhaftigkeit, die nur mit Mühe in zivilisierten Bahnen gehalten werden kann. Es ist ein Problem, wenn Afroamerikanern immer wieder erzählt wird, dass ein „richtiger Schwarzer“ nicht weine, eine ausschweifende und geradezu animalische Sexualität habe und alles, was sich ihm in den Weg stellt, eigenhändig beiseite räumen müsse – ein Problem für Weiße und Schwarze.

[…]

Wir halten es für eine verdammte Selbstverständlichkeit, dass ein Weißer in der Dämmerung nicht mehr im Wald joggen gehen sollte. Ein Weißer. Immer sind es die Weißen, die ihr Verhalten anpassen sollen. Vielen Schwarzen ist nicht klar, wie sehr Weiße die Angst und den Schutz vor Gewalt in ihren Alltag integrieren. Wie sehr wir ein Klima von Bedrohung für normal halten. Wie oft wir ein Taxi nehmen, um nach Hause zu kommen, nicht aus Bequemlichkeit, sondern um sicher nach Hause zu kommen. Wenn wir das Geld haben.

Selbst Schwarze, die sich für komplett harmlos halten, können etwas dafür tun, dieses Klima der Angst zu ändern. Wenn Sie zum Beispiel abends auf der Straße allein hinter einem Weißen laufen und dieser Ihre Schritte hört, oder wenn Sie ihm entgegenkommen, wechseln Sie doch die Straßenseite. Sie ahnen nicht, wie erleichternd das sein kann.

Was sollte mir dieser rassistische Artikel aus dem Paralleluniversum nun sagen?

Genau. Dass es vollkommen absurd wäre, alle Mitglieder einer demographischen Gruppe kollektiv an den Pranger zu stellen, nur weil andere Menschen aus dieser Gruppe, mit denen sie zufälligerweise die gleiche Hautfarbe oder die gleiche Herkunft teilen, der statistischen Wahrscheinlichkeit nach häufiger Verbrechen begehen. Genauso wenig Sinn würde es ergeben, den Grund für diesen Befund an einer angeblichen intrinsischen Eigenschaft dieser Gruppe festzumachen; sei es vermeintlich „von Natur aus“ oder anerzogen. Weiterhin sollten die irrationalen Ängste der einen Gruppe, nicht als legitime Begründung für eine erwartete/geforderte Verhaltensanpassung der anderen Gruppe anerkannt werden. Vor allem dann nicht, wenn die Statistiken gegen diese irrationalen Ängste sprechen und besagte Gruppe sogar sicherer ist, als jede andere.

Aber zum Glück lebe ich ja nicht in diesem Paralleluniversum. Stattdessen darf ich mir dann ansehen, wie sich Frau Stokowski mit den gleichen Fehlschlüssen und der gleichen Hetze, nicht an der Hautfarbe, sondern an den Genitalien abarbeitet. Yay!

Feminismus und Zensur: Eine unheilige Allianz

Netzfeminismus ist ja in vielen Fällen eher inkompetent als qualifiziert. Eher plump als raffiniert. Eher amüsant als gefährlich.

Dieses Bild ändert sich aber in jenem Moment, in dem sich die Interessen und Ziele des Feminismus und der von Regierungsorganisationen überschneiden. Dieser Artikel aus der TAZ mit dem Titel „Das Internet zurückerobern“ zeichnet ein erschreckendes Abbild von genau dieser unheiligen Allianz.

So wie ihr geht es vielen Frauen, die regelmäßig das Internet nutzen. Das Phänomen hat unterschiedliche Namen – Hasskommentare, Hate Speech oder Cybersexismus – und es ist ein großes Problem. Netzfeministinnen machen seit Jahren darauf aufmerksam. Endlich scheint sich etwas zu tun: Diese Woche einigten sich die EU und wichtige Online-Netzwerke auf ein gemeinsames Vorgehen gegen Hasskommentare.

Sind wir also wieder an diesem Punkt. Der nächste Zensurvorstoß, vorangetrieben von Personen wie Anne Wizorek und anderen, selbsternannten NetzfeministInnen. Dass diesen jedes Mittel Recht ist, um die Deutungshoheit in den von ihnen geführten Debatten zu behalten, ist ja bereits hinlänglich bekannt. Und auch die europäischen Regierungsorgane würden sich jederzeit einen Arm ausreißen, um endlich eine legitime Möglichkeit zur Entfernung von unerwünschten Meinungsäußerungen in der anderen Hand zu halten. Dieser neue EU-Beschluss ist scheinbar genau das, worauf beide Lager gewartet und hingearbeitet haben. Unter diesem werden Firmen und deren große soziale Netzwerke, wie Facebook, Twitter und Youtube, dazu verpflichtet „illegale Hassäußerungen“ innerhalb von 24 Stunden zu erkennen und zu entfernen. Gleichzeitig sollen „positive Gegenerzählungen gezielt gefördert werden“. Letztendlich soll hier also von der europäischen Regierungsebene aus auf den öffentlichen Diskurs Einfluss genommen werden. Wie das dann am Ende konkret aussieht und welche „Erzählungen“ unter die Entfernung bzw. Förderung fallen, bleibt unklar. Vermutlich bewusst.

Kraut and Tea weist in einem seiner Videos daraufhin, dass der Begriff „Hate Speech“ in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten der EU nicht unterschiedlicher und unschärfer formuliert sein könnte. Diese Initiative der EU würde an diesem Umstand mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts ändern. Ganz im Gegenteil, man würde nationale „Hate Speech“-Gesetze aushebeln, wenn diese weniger strikte Rahmen setzen. Dieser Beschluss könnte also ein probates Mittel darstellen, um eine Vielzahl an „unerwünschten“ Meinungsäußerungen völlig legal aus den öffentlichen Debatten zu entfernen.

Als besonders interessant stellen sich natürlich die Begründungen für eine solche EU-weite Maßnahme heraus:

Wie real dieser Hass ist, zeigen nicht nur individuelle Erfahrungen, sondern auch diverse Studien. Der britische Thinktank Demos filterte drei Wochen lang Tweets nach den Worten „slut“ oder „whore“. Weltweit wurden in diesem Zeitraum 80.000 Nutzer_innen mit 200.000 solcher Tweets beleidigt. Auch der Guardian beschäftigte sich mit Hate Speech, und zwar auf der eigenen Webseite. Das Ergebnis: Obwohl die Mehrheit der Journalist_innen männlich ist, befinden sich unter den zehn am häufigsten beleidigten Autor_innen acht Frauen und zwei schwarze Männer.

Ich bin immer wieder beeindruckt, mit welcher Vehemenz bestimmte mediale Vertreter ihre Agenda vorantreiben und sich dabei einen Dreck darum scheren, wie offensichtlich verbogen die eigene Narration doch ist. Vielleicht haben wir aber auch inzwischen ein Stadium erreicht, in dem die blanke Grobschlächtigkeit schon wieder als perfide angesehen werden muss.

Denn dass die Befunde der Demos-Studie aufzeigen, dass die Mehrheit der aggressiven Tweets mit besagtem Inhalt von Frauen verschickt wurden, wird hier natürlich nicht erwähnt. Wenn das Geschlechterverhältnis zwischen „Täter“ und „Opfer“ jedoch wieder mit der Narration konform geht – wie im Fall der „Studie“ des Guardian – dann weist man mit Nachdruck darauf hin. Achja, und da waren ja noch die Ergebnisse des PewResearchCenter über online harassment, die man hier unerklärlicherweise auch nicht aufführt. So sieht Cybersexismus also im Jahr 2016 aus.

Aber auch Frau Wizorek scheut sich nicht eine gute Portion kognitiver Dissonanz zur Schau zu stellen:

Wenn ich daran denke, wie unbeschwert ich noch vor ein paar Jahren im Netz unterwegs war und was ich dort gepostet habe, dann bin ich immer überrascht, wie leichtfüßig ich unterwegs war. Das ist heute nicht mehr so“, sagt Wizorek auch über sich selbst. „Es entsteht eine Schere im Kopf.“

Natürlich. In einer Gesellschaft, in der die freie Meinungsäußerung noch in weiten Teilen ungehindert ausgeübt werden kann, muss man eine Selbstzensur vornehmen, weil einem sonst „Hass“ entgegenschwappt. Kleiner Tipp: Vielleicht sollte man die Definitionen von „Hass“ und „Kritik“ noch einmal nachschlagen und anschließend den eigenen Standpunkt neu evaluieren.

Im Grunde wissen wir aber alle: Das wird nicht geschehen. Stattdessen wird ein staatlicher Zensurapparat gefordert, der uns den Safe Space ermöglicht, den wir uns alle schon so lange wünschen. Denn die naheliegendste Lösung – die Option zur selbst bestimmten Handlung – ist heute nicht mehr „zeitgemäß“:

„Wenn Frauen oder andere Gruppen in sozialen Netzwerken Drohungen erhalten und dann zur Polizei gehen, um Anzeige zu erstatten und sie dann erstmal gefragt werden: Was ist denn Twitter? Und dann als Antwort kommt: Dann hören sie eben auf, dort zu schreiben, dann ist das nicht zeitgemäß.“

Die sprachliche Unschärfe, die hier zur Verwendung kommt, ist schon faszinierend. Was meint Frau Wizorek? Von welcher Art „Drohungen“ ist hier die Rede? Ein kritischer Tweet? Oder geht es hier um die viel beschworenen Morddrohungen, die zwar immer wieder angeführt, aber komischerweise nie nachgewiesen werden. Und ja, im letzteren Fall sollte die Polizei ihre Arbeit ernst nehmen und entsprechende Ermittlungen aufnehmen. Da es aber nicht um Morddrohungen geht, die auch nach heutigem Recht bereits illegal sind und polizeiliche Ermittlungen nach sich ziehen, sondern offenbar um andere Formen der „Drohung“, bleibt unklar, wieso die Blockier-Option auf Twitter/Facebook/Youtube als bereits vorhandene Lösung nicht ausreicht.

Ein egalitäres Netz ist laut Wizorek aber im Interesse aller: „Wenn sich Frauen aus dem Netz verdrängen lassen, wird unsere gesellschaftliche Vielfalt nicht abgebildet. Und das ist schade, weil das Internet ursprünglich so ein Emanzipationspotential hatte.“ Wir verspielen damit eine Chance für eine gleichberechtigtere Gesellschaft.

Diese paternalistische Denkweise ist ja kaum auszuhalten. Egalitär ist also, wenn alle den gleichen Zugang zum Netz, aber auch gefälligst die gleiche Meinung haben. Insofern Frauen sich wirklich von unhöflichen/unangenehmen Nachrichten aus dem Internet verdrängen lassen, dann liegen Ursache und Lösung des Problems mit Sicherheit nicht in staatlicher Einflussnahme und Zensurmaßnahmen.

Auf diesen Gipfel der kognitiven Dissonanz fällt mir als Schlusswort eigentlich nur ein Zitat von Prof. Gad Saad ein:

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„Die Zweigeschlechtlichkeit ist biologisch nur noch schwer zu beweisen“

Christian von Alles Evolution hatte in einem Tweet auf diesen Artikel des Tagesspiegel hingewiesen, in welchem der verzweifelte Versuch diverser VertreterInnen der Gender Studies besprochen wird, ihre Forschung gegen Kritik zu „verteidigen“. Man kann aber nicht von einer redlichen Verteidigung sprechen, da dieses Zusammentreffen von Politik und Forschung unter dem Motto „Dialog statt Hass“ gelaufen ist. Damit wird bereits klar, dass die überwältigende Kritik an den Gender Studies nicht als konstruktiv gesehen, sondern direkt als Hassrede deklariert wird. Vermutlich in der Hoffnung, den Kritikern damit den Wind aus den Segeln nehmen zu können. Dass man mit so einer Wortwahl aber bereits die Schwäche der eigenen Position demonstriert bevor die Gegenseite auch nur den Mund aufgemacht hat, lasse ich jetzt einfach einmal so im Raum stehen.

Es wird viel relativiert („Nur 0,4 Prozent der Professuren sind der Genderforschung gewidmet, das ist doch alles nicht so wild!“) und man stilisiert sich selbst als Opfer („Gender-Bashing“). Also so weit, so erwartbar. Interessanter ist jedoch der letzte Abschnitt des Artikels, über den ich hier kurz ein paar Worte verlieren möchte:

„Die Biologie findet so viele Geschlechter, wie sie sucht“

[…]

„Wenn Biologen zwei Geschlechter finden wollen, finden sie auch zwei“, war am Biologie-Tisch zu erfahren. „Suchen sie fünf, finden sie fünf.“ Die Vorstellung, es gebe nur zwei Geschlechter, sei jedenfalls längst in Auflösung, weil die Zweigeschlechtlichkeit biologisch nur noch schwer zu beweisen sei. Allerdings leide das Fach Biologie an einem Mangel an Genderreflexion. Ein Kongress, auf dem sich Biologinnen mit Kulturwissenschaftlerinnen über Gender austauschen, könne Abhilfe schaffen, schlug eine Forscherin vor. Vielleicht verläuft die Debatte dann auch kontroverser als im Abgeordnetenhaus.

Vielleicht habe ich in meinem Biologiestudium zu viele Vorlesungen oder Seminare verpasst, aber mir war bis heute nicht bewusst, dass „Zweigeschlechtlichkeit nur schwer zu beweisen sei“. Es gibt Myriaden an empirischen Studien, durchgeführt über den Zeitraum vieler vergangener Dekaden bis hin zur heutigen Zeit, in denen die „Zweigeschlechtlichkeit“, also die Einteilung in einen männlichen und weiblichen Phänotyp und Genotyp, von Organismen verschiedener Spezies nachgewiesen wurde. Es gibt sogar ein Gen, welches bei Säugetieren (zu denen auch der Mensch zählt) klar definiert, ab wann ein Organismus als männlich oder weiblich angesehen werden muss: Das SRY-Gen, welches sich normalerweise auf dem Y-Chromosom befindet. Ist es vorhanden, kommt es während der Embryogenese zur Ausbildung von Hoden und damit zu einer Geschlechtsdifferenzierung hin zum männlichen Geschlecht. Ist es nicht vorhanden bzw. funktionslos, bilden sich Eileiter und Gebärmutter, und dieser Kaskade folgend kommt es zur Geschlechtsdifferenzierung hin zum weiblichen Geschlecht.

Durch Mutationen oder andere Fehlentwicklungen bei z.B. der Reifeteilung kann es zu verschiedenen Symptomen/Syndromen, wie z.B. dem XX-Mann, kommen. Hier hat ein Individuum kein Y-Chromosom, aber dennoch einen männlichen Phänotyp. Durch eine Translokation des SRY-Gen auf eines der X-Chromosome kommt es bei diesen Individuen zur Einleitung der männlichen Geschlechtsdifferenzierung. Auch in diesen Sonderfällen findet sich eine klare Einteilung in männlich und weiblich auf phänotypischer und genoytpischer Ebene: Ein XX-Mann hat einen weiblichen Genotyp (oder auch Karyotyp) und einen männlichen Phänotyp. Jegliche Abweichung von der Dichotomie, jede „Zwischenform“, ist eben genau das: Eine Mischung aus weiblichen und männlichen (Geschlechts)Merkmalen. Daraus folgt aber kein drittes, viertes oder fünftes Geschlecht.

Die Behauptung, die Biologie würde so viele Geschlechter finden, wie sie sucht, ist also kompletter Bullshit.

Aber jetzt kommt natürlich die Trumpfkarte der Anhänger diverser konstruktivistischer Theorien: Das soziale Geschlecht und biologische Geschlecht muss man voneinander trennen! Nein, muss man nicht. Zuerst einmal ist die willkürliche Trennung in ein soziales und biologisches Geschlecht eine unnötige Erhöhung der notwendigen Annahmen für eine Theorie. Zweitens zeigen Untersuchungen an transsexuellen Personen, dass geschlechtertypische Verhaltensweisen durch die Gabe von entsprechenden Hormonkonzentrationen beeinflusst werden können. Drittens zeigen unsere nächsten Verwandten eine vergleichbare „Zweigeschlechtlichkeit“ und bei diesen Spezies sind Einflüsse einer Sozialisierung, wie man sie beim Menschen findet, auszuschließen. Theorien, welche eine Einheit aus Nature versus Nurture annehmen, sind daher auf Basis der empirischen Forschung und unter der Beachtung von Ockhams Rasiermesser zu bevorzugen.

Im Artikel des Tagesspiegel finden sich noch Verweise auf zwei weitere Artikel zum Thema, in denen ähnliche Fehltritte zu finden sind. Um aber emotional nicht vollkommen aus der Balance zu fallen, verschiebe ich eine detaillierte Betrachtung und Besprechung dieser Artikel auf einen späteren Zeitpunkt.

Quickie (1): Sibylle Berg / In eigener Sache

Sibylle Berg, Margarete Stokowskis große Schwester im Geiste, beschwert sich in ihrer wöchentlichen Kolumne über das Wegfallen von Feindbildern. Aufhänger dafür ist für sie der Umstand, dass sich jetzt sogar schon die BILD-Zeitung für Flüchtlinge einsetzt und man deshalb eigentlich gar nichts mehr hat, was man so richtig und aus tiefstem Herzen hassen kann. Dieser kurze Text, voll mit unnötigen Hyperbeln, hat aber doch eine interessante Aussage zu bieten:

Da waren immer die guten Zeitungen, „Süddeutsche“ und „FAZ“ und der SPIEGEL, mit ihren durchwechselnde Chefs, immer männlich, bedingten Qualitätsschwankungen, und dann waren da Sachen wie eben „Bild“. Die jetzt lustigerweise eine Chefin hat. Aber auch hier lerne ich langsam, dass es nichts hilft, dauernd zu jammern, dass es so wenige Frauen in Führungspositionen gibt, denn leider scheuen viele die Überstunden, die Angreifbarkeit, ja den Hass, dem man an der Spitze jeder Unternehmung ausgesetzt ist.

Ist das jetzt ein Zeichen für eine zweite geistige Pubertät bei Frau Berg? Bröckelt jetzt doch so langsam die ideologische Fassade? Wirkt die permanente Selbstimpfung des ewig gleichen Mantras nicht mehr?

Man kann nur hoffen.


Nur kurz in eigener Sache: Ich möchte gerne noch nachträglich meinen herzlichen Dank an Arne Hoffmann ausrichten, der mich netterweise in seinem Blog „Genderama“ verlinkt hatte. Dazu muss ich noch sagen, dass für mich sein Buch „Plädoyer für eine linke Männerpolitik“ der Stein des Anstoßes war, selbst online aktiv zu werden und meiner Stimme Gehör zu verschaffen. Daher eine klare Buchempfehlung von mir!

So, genug vom shilling: Ich freue mich sehr über die Willkommensgrüße und hoffe auf einen ergiebigen Diskurs!